11th LEIBNIZ CONFERENCE OF ADVANCED SCIENCE, MAY 2011

VORTRAG "DAS PRINZIP DER DREIFACHEN ENTLASTUNG"





(The Triple Benefit Principle)
 






Kurzfassung:

Das Prinzip der dreifachen Entlastung ist eine Methode zur raschen und anhaltenden Reduzierung der Treibhausgasbildung. Die konsequente Anwendung der drei Schritte des Prinzips ermöglicht es, in wenigen Jahren den persönlichen Energiewendepunkt zu erreichen.


Der Ansatz beruht auf ärztlicher Erfahrung, zahlreichen Experimenten auf dem Gebiet der Mobilität und des Lebensstils sowie auf grundlegenden Informationen über den Zusammenhang von Gesundheit, Nachhaltigkeit und Mobilität.
Ausgehend von der Tatsache, dass die überwiegend durch fossile Verbrennung hervorgerufene Erderwärmung und die resultierenden Klimaveränderungen jährlich in den Entwicklungsländern hunderttausende Todesopfer fordern, hunderte Millionen Menschen in Krankheit, Hunger und Elend treiben, und diese Zahlen kontinuierlich steigen (siehe UNDP-Bericht über die Menschliche Entwicklung 2007/08), ist es dringend geboten, jede weitere Verbrennung fossiler Energieträger zu vermeiden beziehungsweise auf ein Minimum zu reduzieren. Schon die bisher erfolgte CO2-Bildung wird ja die Erde noch über Jahrzehnte hinaus um weitere 0,7 Grad C erwärmen und weitere Millionen Menschen das Leben kosten.
Die Bereiche Ernaehrung, Haushalt, Mobilität und übriger Konsum sind die vier individuellen THG-Verursacher. Durch weitgehend vegetarische Ernährung mit biologischen Produkten aus naher Produktion, ein umweltfreundliches Heizsystem und die Verwendung von Ökostrom können die THG-Bildung aus Ernährung und Haushalt möglichst niedrig gehalten werden. Ein Viel-Fleisch-Esser kann über 3 t CO2-e im Jahr verursachen, ein Vegetarier nur ca. 1 Tonne aus dem Bereich Ernährung. Eine Ölheizung eines Einfamilienhauses kann 9 t CO2 im Jahr produzieren, eine moderne ökologische Heizung nur 1 Tonne oder weniger.
Eine besondere Schlüsselfunktion kommt der Mobilität zu. Denn während ein Umstieg auf ökologisch verträgliches Essen und Wohnen nicht billiger kommt, bringt ein Umstieg in der Mobilität abgesehen von beachtlicher CO2-Einsparung zwei weitere Vorteile:
1) Radfahren verbessert die eigene Gesundheit, die Gesundheit der Anderen und entlastet das Gesundheitsbudget und die Volkswirtschaft stark. Siehe WHO-tool: HEAT for Cycling.
2) Radfahren und Bahn-Fahren ist wesentlich billiger als Autofahren. Dadurch entstehen Ersparnisse, die zur weiteren THG-Reduzierung sinnvoller Weise in die Bereitstellung nachhaltiger Energie oder andere CO2-senkende Projekte (Sanierung von Gebäuden, landwirtschaftliche Maßnhamen wie Bewaldung und Humuswirtschaft ) u.a. Projekte investiert werden können.


 


Zur Machbarkeit:


Der ersten Veröffentlichung des Prinzips der dreifachen Entlastung im Jahr 2007 in Medical Tribune gingen elf erfolgreiche Jahre des Experimentierens mit umweltfreundlichen, möglichst nachhaltigen Mobilitätslösungen voraus. Als Landarzt einer entlegenen niederösterreichischen Gemeinde, 19 km vom Bahnhof entfernt in einer dünn besiedelten Region mit wenig öffentlichen Verkehrsmitteln hatte ich denkbar schlechte Startbedingungen für einen Umstieg vom Auto auf Rad und Bahn.. Dennoch gelang es mir, meine Jahresmobilität von ca. 30.000 Autokilometern (1995) zu 95% durch Fahrrad- und Bahnkilometer zu ersetzen. Nur ein Rest von ca. 1500 km (dringende Patientenvisiten werden mit einem Hybridwagen erledigt). Alle anderen Visiten, Fahrten zu Weiterbildung, Sitzungen, Tagungen und Kongressen, Einkäufe, private Fahrten, Ausflüge und Urlaube erfolgen mit dem Rad oder in Kombination von Rad und öffentlichem Verkehr (meist Bahn).
Dies führte zu einer Reduktion der Bruttoemission aus dem Bereich Mobilität von siebeneinhalb auf ca. eine halbe Tonne CO2-e. (Bewertung der Bruttoemissionen verschiedener Fahrzeuge lt. H. Lunzer s. Tabelle)


MOBILITY-Workshops als „Energiewende-Training“


Da die Machbarkeit dieser erprobten und bewährten Methode für viele Menschen nicht leicht nachvollziehbar ist, vermittle ich in Vorträgen, vor allem aber in Workshops meine in 15 Jahren erworbenen Erfahrungen, entwickelten Ideen und Mobilitätslogistik. Im Jahre 2006 entwickelte ich das interaktive Lernspiel MOBILITY , das mit Hilfe der Isoemissionswürfel die CO2 – Last verschiedener Verkehrsmittel anschaulich macht und dazu anleitet, auf kreative Weise für bestimmte Anforderungen und Szenarien aus dem Alltag Mobilitätslösungen mit möglichst niedriger Gesamtemission zu entwerfen. Das inzwischen mehrfach ausgezeichnete Spiel erfolgt in Teams. Es wird in mehreren Ländern und Sprachen an Universitäten und Schulen, Gemeinden, Betrieben, bei Umwelttagungen, Zukunftsforen und anderen Veranstaltungen verwendet.
Die Workshops sind ein Energiewendetraining, sie trainieren, auf schnellste Weise den persönlichen Energiewendepunkt zu erreichen, d.h. den Punkt, an dem man in der Lage ist, selber so viel nachhaltig bereitgestellte Energie der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, als einem als Bruttoinlandsenergieanteil zukommt. Das ist für einen Österreicher derzeit im Durchschnitt ca. 50.000 kWh.
Meine eigene Erfahrung ist die: Ich habe durch 15 Jahre hindurch jährlich durch den Mobilitätsumstieg (95%igen Ersatz des Autos durch Rad und Bahn) ca. 3000 bis 6000 Euro eingespart und in die Bereitstellung nachhaltiger Energie durch Beteiligung an Wind, PV – und Kleinwasserkraftanlagen investiert und erzeugt mit seinen Anteilen heute jährlich ca. 400.000 kWh sauberen Strom. Mein durchschnittlicher zeitlicher Mehraufwand durch Radfahren beträgt täglich 60 bis 90 Minuten, somit ist die ideale Zeit körperlicher Bewegung, die alle präventiven Gesundheitsfördernden Vorteile bringt, schon in die Arbeit integriert, es erübrigt sich ein abendlicher Besuch im Fitnesscenter oder ein Joggen, das den gleichen zeitlichen Mehraufwand bei kürzerer Sport-Zeit bedeuten wurde.
Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass es ein Irrtum ist, zu glauben, wir können die Energiewende in wenigen Jahren durch Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Solarthermie erreichen, ohne den Gebrauch herkömmlicher Autos und Flugzeuge drastisch zu reduzieren. Sogar der totale Umstieg von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Elektroautos hätte nur eine Verringerung der Emissionen um etwa den Faktor 4,5 zur Folge. Das alleine würde aber nicht ausreichen, um die THG-Bildung genügend zu senken. Und im Flugverkehr gibt es derzeit gar keine saubere Alternative, außerdem wächst der Flugverkehr weiter stark.
Aus ärztlicher Sicht ist daher die Implementierung des Prinzips der dreifachen Entlastung eine dringend nötige Ergänzung zu den technologischen Vorschlägen für eine Energiewende. Nötig, um den gesundheitlichen Schaden und die Zahl der Klimaopfer und Klimaflüchtlinge sowie weitere ökologische Schäden so weit wie nur irgendwie möglich zu begrenzen.
Es ist klar, dass politische Maßnahmen diesen Prozess dringend steuern müssen. Da diese Maßnahmen aber weitgehend fehlen, ist es dringend geboten, ein Bewusstsein zu schaffen, das diese Maßnahmen einfordert und Modelle zu erproben, die den Eintritt in die Energiewende erleichtern. In diesem Sinne sind die MOBILITY-Workshops als Energiewende-Training zu verstehen.


Weder Investitionen in nachhaltige Bereitstellung von Strom alleine, noch der Umstieg auf Fahrrad und Bahn alleine führen zum Ziel. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Ersparnisse aus dem Mobilitätsumstieg nicht ein volkswirtschaftliches Vakuum sind. Kapital kann CO2-steigernd (z.B. in Flüge), annähernd CO2-neutral (z.B. in Dienstleistungen ohne fossilen Energieverbrauch) oder eben CO2-senkend (s.o.) investiert werden. Erst die fortlaufende durch den radikalen Mobilitätsumstieg ausreichend hohe Investition in zusätzliche CO2-Reduzierung macht das Prinzip der dreifachen Entlastung komplett und voll wirksam.


Abschließende Bemerkungen:


In den ersten Jahren als Rad fahrender Landarzt wurde ich von manchen belächelt. Die globalen ökologischen und medizinischen Zusammenhänge wurden von vielen nicht wahr genommen., die großen Schäden durch die Verbrennung fossiler Energieträger wurden geleugnet. Und die dreifache, auch gesundheitliche Chance des Radfahrens blieb von vielen unentdeckt.
Heute habe ich viele Nachahmer in allen Berufen, und auch die Investitionsbereitschaft in nachhaltige Projekte ist stark gestiegen. Dennoch herrschen in weiten Teilen der Bevölkerung mangelndes Wissen um die Zusammenhänge und die Dringlichkeit des Handelns, Ideenlosigkeit, mangelnde Kreativität und Bequemlichkeit, die eine rasche Energiewende verzögern und globales Leid vergrößern. Für mich als Arzt ist das eine klare Indikation zur Verbreitung und Forcierung eines Energiewendetrainings z.B. in Form der MOBILITY-Workshops als globale präventive Maßnahme im weitesten Sinn.


Dr. med. Klaus Renoldner http://www.renoldner.eu


 


Weitere Informationen:


Zum Prinzip der dreifachen Entlastung:
http://www.renoldner.eu/start.asp?ID=66


häufig gestellte Fragen:
http://www.renoldner.eu/start.asp?ID=71


zu den MOBILITY-Workshops als Energiewende-Training:
http://www.renoldner.eu/start.asp?ID=68


grundlegende Informationen über Radfahren und Gesundheit im globalen Kontext:
http://www.renoldner.eu/start.asp?ID=64

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