Faszination Radfahren - Gesundheitsvorsorge im weitesten Sinn (erschienen in KNEIPP BEWEGT 05/2010)

Haben Sie gewusst, dass Sie durch Radfahren Vorbeugung gegen fast alle typischen Krankheiten unserer „modernen“ Lebensweise betreiben und dass Sie darüber hinaus einen großen Beitrag zum Schutz der Gesundheit vor allem in Entwicklungsländern leisten?

 

 

Radfahren macht Spaß, wenn man es richtig betreibt und es ist – abgesehen vom Zu-Fuß-Gehen -  meist die sinnvollste Fortbewegungsart für kürzere Strecken.

Doch es  gibt darüber hinaus zwei wichtige Gründe, um Rad zu fahren. Beide stehen in Zusammenhang mit Gesundheit:

 

Erstens: die direkte Gesundheitsförderung

 

Radfahren fördert die Gesunderhaltung und ist vielfältige Prävention, eine Tatsache, die oft unterschätzt wird.

Tägliches Radfahren in die Arbeit, in die Schule oder zu Besorgungen hält den Körper in Bewegung und im Training. Während in jüngster Zeit Berichte über den schlechten Gesundheitszustand österreichischer Kinder durch Bewegungsmangel und Fehlernährung kursieren, zeigen die Studien über Radfahren und Gesundheit klar die enormen präventiven Effekte gerade gegen die typischen Zivilisationskrankheiten.

Vor allem die zwei großen Studien über Radfahren und Gesundheit, die dänische und die britische, haben dies belegt.

So geht aus der dänischen Studie hervor:

Leute, die regelmäßig in die Arbeit mit dem Rad fahren, haben eine um 28% niedrigere Sterblichkeitsrate als die übrige Bevölkerung.

Mehrere, auch in Norwegen und der Schweiz durchgeführte Studien zeigen beachtliche Reduzierung folgender Erkrankungsrisiken für Menschen, die regelmäßig Rad fahren, im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung:

 

30%    reduziertes Erkrankungsrisiko für Bluthochdruck,

33 -50%                                              für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Allgemeinen,

40 – 50 %                                            für Diabetes Mellitus Typ 2

50%                                                     für Osteoporose

28 – 50%                                             für Brustkrebs

40 bis 50%                                           für Dickdarmkrebs

34%                                                     für Gallensteine

68%                                                     für Depressionen

26%                                                     für Rückenschmerzen

 

Interessanterweise erwies sich die Staub- und Gas - Exposition für Radfahrer nicht als höher als jene für Autofahrer, in einigen Bereichen wie CO, NO2, Toluen und Xylen ist sie sogar wesentlich niedriger als für Autoinsassen.

Und was die Sicherheit betrifft: Die Statistiken zeigen, je mehr Radfahrer in einem Land unterwegs sind, desto sicherer ist der Verkehr.

Dazu ein Beispiel:  Die Förderung des Radfahrens in Dänemark von 1990 bis 2000  brachte bei einer Zunahme des Radfahrverkehrs um 45% eine Abnahme der Radunfälle mit schweren Verletzungen um 23% absolut.

 

Schon 1999 empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der

 

„London Chartre on Traffic“ die Förderung des Radfahrens aus Gründen der Gesundheit und der Umwelt.

 

Auch eine Untersuchung von Froböse an der Medizinischen Universität in Köln belegte für Radfahrer eine Verbesserung des Fettstoffwechsels, des Kreislaufs, der Muskeln, des Skeletts, des Immunsystems sowie einen Anti-Aging-Effekt.

 

Und der Cycling England Report von Nick Cavill und Adrian Davis von 2007 beweist große Vorteile durch Radfahren für die öffentliche Gesundheit.

 

Natürlich beinhaltet Radfahren auch gewisse Gesundheitsrisiken: Unfälle, Karpaltunnelsyndrom bei schlechter Lagerung der Handgelenke, Schulterbeschwerden durch zu steife Haltung, Pilzinfektionen der Haut durch Wetzen gehören dazu. Hier kann man speziell vorbeugen. Aber die Studie beweist, dass die durch Radfahren gewonnenen Gesundheitsvorteile zwanzigmal größer sind als die Nachteile.

 

Dass Radfahren – richtig angewendet -  nicht nur Herz-Kreislauf-Training, sondern auch ein sinnvolles Training der Atmung und ein Training des Gleichgewichts ist und somit auch zur Reduzierung des Schwindels bei älteren Menschen führt, sei noch ergänzt.

 

Im Unterschied zum Laufen schont Radfahren Knie- und Hüftgelenke vor Erschütterungen, es wird auch bei Gelenkserkrankungen in der Rehabilitation eingesetzt.

 

 

WHO – Tool “HEAT for Cycling”:

Radfahren rettet Menschenleben und spart Gesundheitskosten

 

Auf Basis der Daten der dänischen Studie entwickelte das Europäische Büro der WHO das so genannte  Health economic assessment tool for cycling (HEAT for Cycling).

2009 berechnete das österreichische Lebensministerium damit, dass  in Österreich bei nur 5% Radverkehrsanteil und durchschnittlich gefahrenen Strecken von nur 2km  jährlich 412 Menschenleben gerettet und 405 Millionen Euro Gesundheitskosten eingespart werden.

Eine Verdoppelung oder Vervielfachung des Radfahranteils am öffentlichen Verkehr ist daher äußerst wünschenswert, es würde auch die genannten Effekte verdoppeln und vervielfachen.

http://www.klimaaktiv.at/article/articleview/75923/1/11995  (veröffentlicht am 25.8. 2009)

 

 

 

Der zweite wichtige Grund: Klimaschutz

 

Der Auto- und Flugverkehr ist in den Industrieländern zum größten Treibhausgasverursacher geworden. Laut Umweltbundesamt stammen 28% des in Österreich emittierten Kohlenstoffdioxid (CO2) aus dem Inlandverkehr. Aber in diesen 28% sind weder die industriellen Emissionen der Autoproduktion samt Vorprozessen, noch die der Erdölförderung und Raffinerie, noch die aus der Produktion und Anwendung von Stahl und Beton des Autobahn-, Brücken- und Straßensystems  und dessen Instandhaltung, noch die Lachgasproduktion durch Stickstoffverbrennung enthalten.

Allein die Direktemissionen aus Mobilität sind in Österreich seit 1990 um 61% angestiegen, und  in den genannten Zahlen sind die Emissionen aus internationalen Flügen nicht enthalten, da sie noch nicht im Kyoto-Protokoll berücksichtigt werden.

Die schon eingetretenen durch den Klimawandels verursachten Gesundheitsschäden sind aber laut WHO derzeit schon enorm, die infolge heute getätigter Emissionen noch für viele Jahre zu erwartenden, nicht mehr vermeidbaren Schäden noch wesentlich beunruhigender. (1)

Angesichts der Tatsache, dass die Industrieländer ihre THG-Emissionen möglichst rasch auf ein Fünftel reduzieren müssen, ist der Verkehrssektor am meisten gefordert. Wir müssen herkömmliche Autos und Flugzeuge so weit wie möglich meiden und durch sauberere Verkehrsmittel ersetzen.

Wie das möglich ist, habe ich in vielen Experimenten erprobt und publiziert, auch das von mir 2006 entwickelte interaktive Lernspiel „MOBILITY“ zur gesunden und klimafreundlichen Mobilität dient im Unterricht und in Gemeinden als Trainingsbehelf für den Umstieg auf gesündere und ökologischere Mobilität.

Abschlußbemerkung:

 

“Integriertes Radfahren”, die in den Alltag integrierte Verwendung des Fahrrads, ist im Unterschied zum abendlichen Joggen oder Fitness-Center-Besuch eine wesentlich effektivere, ökologischere und billigere Alternative der Gesundheitsvorsorge, wie diverse Berechungen zeigen.

 

Noch ein Hinweis für diejenigen, die sagen: Ich würde ja gerne, aber es ist mir zu anstrengend bei meinen Alltagswegen:

Denken Sie an die Möglichkeit eines Elektrofahrrads. Es hat gegenüber dem Elektromoped drei große Vorteile:

1) Sie treten wie beim Fahrrad und können daher alle Gesundheitseffekte des Radfahrens nutzen.

2) Sie können es bei längeren Reisen als Fahrrad in die Bahn mitnehmen und am Ankunftsbahnhof weiterradeln. (Die Bahn ist nach dem Fahrrad das zweit-umweltfreundlichste Verkehrsmittel, mehr als 10mal so „sauber“ als ein durchschnittlicher PKW)

3) Sollte die Batterie einmal leer werden, so können Sie weiterradeln und müssen nicht schieben.

 

Von vielen Diskussionen kenne ich die verschiedenen Gründe, warum Menschen doch lieber das Auto als das Rad oder Rad + Bahn verwenden. Für die meisten vermeintlichen Hindernisse wie Regen, Schneefall, Kälte, Wind, Nacht, viel Gepäck etc. gibt es aber kreative Lösungen. Richtige Kleidung, kompletter Regenschutz, Winterreifen, bei Bedarf Spikes, gute Beleuchtung, Gepäckträger und Gepäckanhänger, Routenplanung und zahlreiche logistische Maßnahmen und Tricks.

 

Als einer, der vor fast 15 Jahren bewusst im Alltag wie im Urlaub vom Auto auf Rad und Zug umgestiegen ist und es nicht bereut hat, möchte ich Sie mit einem meiner Slogans zum Radfahren ermutigen:

 

„Freuen Sie sich über jeden Kilometer, den Sie mit dem Rad zurücklegen können, er ist gut für Ihre Gesundheit und für die Gesundheit von Millionen Menschen in den armen Ländern unserer Welt.“

 

 

1 Fußnote:

(1) Nur ein paar Daten dazu:

*Die vom seinerzeitigen UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Sonderkommission zu Klimawandelschäden schätzte 2009 die Zahl der Klimawandel-bedingten Todesopfer auf derzeit jährlich 300.000.

* Laut UNDP-Bericht über die Menschliche Entwicklung ist die Anzahl der von hydro-meteorologischen Katastrophen jährlich betroffenen Menschen seit 1970 von 38 Millionen auf 262 Millionen angestiegen. Die Entwicklungsländer, selbst die geringsten THG-Verursacher, sind von den Folgen siebzigmal stärker betroffen als die Industrieländer.

* Zum Welt-Gesundheitstag am 7. April 2008 ließ UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon verlauten: „Bis zum Jahr 2020 könnten fast eine Viertel Milliarde Menschen in Afrika von der wachsenden Wasserknappheit betroffen sein. Die Ernteerträge in einigen afrikanischen Ländern könnten um die Hälfte zurückgehen. Mangelernährung und klimabezogene Infektionskrankheiten werden vor allem die Verletzlichsten treffen: Kleine Kinder, Ältere und Schwache. Arme Frauen....“

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