Hiroshima-Rede 2012. Wien, Stephansplatz, 6. August 2012

HIROSHIMA – REDE 2012
Dr. Klaus Renoldner, IPPNW
Wien, Stephansplatz, 6. August 2012, 18 Uhr




 


traditionelle japan. Laternen werden bei der Hiroshima-Gedenkfeier vom Stephansplatz zum Karlsplatz getragen und dort in den Teich gesetzt

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Mein Name ist Klaus Renoldner, ich bin Arzt und habe viele Jahre in Österreich und auch in Ländern Afrikas und Lateinamerikas gearbeitet. Warum ich heute, am Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, zu Ihnen spreche, hat einen besonderen Grund: Es gibt eine jahrelange ärztliche Tradition, für ein weltweites Verbot von Atomwaffen einzutreten, und Dr. Albert Schweitzer war wohl einer der ersten und prominentesten, der sich für ein Verbot engagierte, später folgte die australische Kinderärztin Helen Caldicott, und 1980 gründeten der Harvard-Kardiologe Bernard Lown und sein russischer Kollege Jewgenij Tschasow die IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), die übrigens fünf Jahre später, 1985, für ihre Arbeit den Friedensnobelpreis erhielt.

 

Atomwaffen sind Massenvernichtungswaffen, die Millionen unschuldiger Menschen mit einem Schlag in den Tod reißen können. Es sind Waffen des Terrors, egal in welchen Händen sie sich befinden, so nannte sie Hans Blix, der Leiter der Spezialkommission für Massenvernichtungswaffen in seinem Bericht für Vereinten Nationen im Jahre 2006.

 

Um eine Vorstellung von Sprengkraft und Auswirkung von Atomwaffen zu haben, möchte ich Sie um einen Moment Aufmerksamkeit ersuchen und einladen, meinen Vergleichen zu folgen: Die Sprengkraft wird in Äquivalenten herkömmlichen Sprengstoffs angegeben. Und die Hiroshimabombe hatte eine Sprengkraft von 20 Kilotonnen, obwohl sie selbst nur wenige Tonnen wog. Stellen Sie sich 1 Kilogramm Sprengstoff vor, damit könnte man einen ganzen Autobus oder ein Zimmer voll Menschen ermorden. 1 Tonne wäre das Tausendfache, etwa ein Kubikmeter an Volumen. Eine Kilotonne ist dann das Millionenfache, also tausend Kubikmeter aneinandergereiht. Und das noch zwanzigmal gibt zwanzig Kilotonnen: Das war „Little Boy“, die Hiroshimabombe, die mehr als 100.000 Menschen mit einem Schlag in den Tod riss. Heute gibt es aber Megatonnenbomben, eine Megatonne ist gleich tausend Kilotonnen. Und davon gibt es über 10.000 einsetzbare Nuklearsprengköpfe, also Bomben oder Raketen, der Großteil davon im Besitz der USA und Russlands, einige hundert Bomben im Besitz von England, Frankreich, China, Pakistan, Indien und Israel.

 

Obwohl in der Zahl durch bilaterale Abrüstungsverträge zwischen Russland und USA reduziert, wären dies Sprengköpfe noch immer in der Lage, die ganze Erde zu zerstören. Eine Megatonnenbombe hier im Zentrum Wiens abgeworfen würde die Stadt total vernichten, wahrscheinlich 1 Million Menschen töten und die weite Umgebung radioaktiv verseuchen. Und die Folgen eines atomaren Kriegs wären ein Vielfaches schlimmer mit ökologischen Katastrophen größten Ausmaßes.

 

Deswegen sind meine berühmten Kollegen Albert Schweitzer, Lown und Tschasow und viele andere zum Schluss gekommen: Zu diesem potentiellen Verbrechen dürfen wir nicht schweigen. Da es im Falle eines neuerlichen Atomwaffeneinsatzes – zum Glück gab es seit Hiroshima und Nagasaki keinen mehr – keine ärztliche Hilfe gibt, müssen wir vorbeugen. Und Vorbeugen heißt hier ein globales Verbot und die Vernichtung bestehender Waffen unter UN-Kontrolle.

 

Immer noch hört man da und dort von der so genannten abschreckenden Wirkung der Atomwaffen. Würde diese Logik stimmen, dann müssten sich ja alle Länder möglichst hoch atomar bewaffnen, um möglichst sicher zu sein. Sie sehen schon, dass dieses Denken in die Irre führt. (Übrigens auch bei Kleinwaffen: In Staaten mit hohem privaten Waffenbesitz lebt man gefährlicher, nicht sicherer.) Und noch ein Wort zum Terrorismus: Er ist eine Gefahr, aber vor dieser Gefahr können uns keine Atomwaffen schützen. Im Gegenteil: Je länger diese Waffen existieren, desto größer ist die Gefahr, dass sie auch in terroristische Hände gelangen können.

 

Viele Persönlichkeiten aus aller Welt haben sich schon dafür ausgesprochen, viele Bücher haben wir gemeinsam mit anderen Fachleuten publiziert. Und auch hier können Sie hunderte prominenter Stellungnahmen für ein Atomwaffenverbot lesen, auch vom österreichischen Bundespräsidenten, von Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Kirchen.

 

Ich möchte auch den kanadischen Diplomaten Douglas Roche, den österreichischen Diplomaten Alexander Kmennt und den österreichischen Kinderarzt Prof. Walter Swoboda nennen, der 1982 unsere österreichische Sektion der IPPNW gründete. Doch unser Einfluss ist immer noch nicht stark genug, um diesen Wahnsinn global zu verbieten. Deshalb stehen wir heute hier und laden Sie ein, wo immer Sie beruflich oder privat hinkommen, zu einem verantwortungsvollen kritischen Bewusstsein beizutragen, bis wir in einer Welt ohne atomare Bedrohung leben können.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. 

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