Das Prinzip der dreifachen Entlastung oder Wie wir die Kyoto-Ziele und noch weit mehr erreichen können (2008)

Diese Arbeit erhielt eine Nominierung für den Klimaschutzpreis 2009.
Sie erschien auch in "medi.um" Zeitschrift für Umwelthygiene und Umweltmedizin 03/09



Fernsehbericht des ORF zum Thema: http://www.klimaschutzpreis.at/start.asp?b=70&vid=99&id=79.

Die englische Version erschien unter dem Titel A doctor's view on CO2 in Medicine, Conflict and Survival Vol. 25, No. 2, April-June 2009.

Weitere Arbeiten über das Prinzip der dreifachen Entlastung erschienen u.a. in Medical Tribune (2007), Der Standard (März 2008), in Kneipp bewegt (4/2010) und in Glocalist Review Nr. 281, Berlin, Sept. 2010 auf S. 8-11

Zusammenfassung:
Als Landarzt begann ich 1996 meine 30.000 jährlichen Autokilometer zunehmend durch Fahrrad und Bahn zu ersetzen. 1998 hatte ich mein „persönliches Kyotoziel“ von minus 25% Treibhausgasemission bereits überschritten. Durch kreative Logistik erledige ich heute über 90% meiner jährlichen 30.000 km mit Rad und Bahn. Die jährlichen Ersparnisse von etwa 6.000 Euro wurden neben  Sanierung am eigenen Wohnhaus (Biomasseheizung, Isolierung, Photovoltaik und Photothermik) in den Ausbau nachhaltiger Energieerzeugung aus Wind, Sonne und Kleinwasserkraft investiert. So erzeuge ich jährlich bereits 192.000 kWh Ökostrom. Das reicht für  etwa 60 Haushalte.
Wenn alle 4 Millionen österreichischen Autofahrer durchschnittlich nur ein Sechstel meiner Umstiegsleistung erbrächten und die jährlich ersparten 1000 Euro in die Erzeugung von sauberem Strom investierten, wären alle österreichischen Haushalte in einem Jahr mit Ökostrom versorgt, ab dem zweiten Jahr könnte weiterer Ökostrom für Industrie und Gewerbe bereitgestellt werden. So würden rasch die Emissionen der drei größten CO2-produzierenden Sektoren Verkehr, Industrie und Energieaufbringung, die zusammen über 70% aller CO2-Emissionen ausmachen, reduziert. Die übrigen Sektoren lassen sich durch weiteres bewusstes Konsumverhalten beeinflussen.

1. Ausgangslage ist die Tatsache, dass Österreich auf dem Kurs ist, das Kyotoziel weit zu verfehlen. Ich selber habe aber die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht so schwer ist, durch konsequente Befolgung einiger Grundsätze, das „persönliche Kyotoziel“ (Reduktion um 25% wie ursprünglich 1997 vorgesehen) zu erreichen und zu übertreffen. Durch meinen 90%igen Umstieg auf Rad und Bahn unter nicht leichten Ausgangbedingungen als Landarzt, 19km vom nächsten Bahnhof entfernt, habe ich meinen jährlichen Treibhausgasausstoß aus Mobilität von über 7 Tonnen auf weniger als eine Tonne CO2-Äquivalent reduziert. Das ist der erste Schritt der Entlastung. Das dabei ersparte Geld wurde in Erzeugung und Bereitstellung von Ökostrom investiert. 6.000 Euro in die Erzeugung von Strom aus Windenergie zu investieren bedeutet eine Produktionssteigerung um fast 20.000 kWh. Das entspricht einer jährlichen zusätzlichen Entlastung von 20x 400kg, also 8 Tonnen CO2 (427 kg Co2-Äquivalent/kWh Umweltbelastung bei EVN Optima im Vergleich zu 41 kg CO2-Äquivalent bei Ökostrom lt. E-Control). Das ist der zweite Schritt der Entlastung. Durch diese 8 Tonnen ist mein sonstiger privater CO2-Ausstoß bereits nach einem Jahr  mehr als neutralisiert.

Der dritte Schritt der Entlastung ergibt sich wie folgt: bei gleich bleibendem Verhalten steigt die Produktion von sauberem Strom von Jahr zu Jahr.
Ich habe meine  Methode „Das Prinzip der dreifachen Entlastung“ genannt und unter diesem Titel 2007 in Medical Tribune veröffentlicht.
Meine zehnjährigen Erfahrungen beim Umstieg auf nachhaltige Mobilität und die fünfzehn am häufigsten gestellten Fragen und Antworten zur Machbarkeit erschienen bereits 2006 in CONSILIUM 12/2006.

Es ist also sinnvoll, die Frage zu stellen, ob und wie die österreichische Bevölkerung durch analoges Handeln das Kyoto-Ziel erreichen könnte.

2. Projektziel wäre die Österreich-weite Umsetzung meiner Erfahrungen. Das Kyotoziel wäre wahrscheinlich in wenigen Jahren erreicht, wenn jeder Autofahrer im Durchschnitt nur ein Sechstel bis ein Achtel meiner Umstiegsleistung erbrächte und das dabei ersparte Geld gezielt in den Ausbau nachhaltiger Energiebereitstellung investierte. Ich habe daher im Frühjahr 2008 den Entwurf  „Das Prinzip der dreifachen Entlastung als breit angelegtes Projekt“ verfasst, an Wissenschafter verschiedener betroffener Disziplinen gesandt und erhielt vielseitige Zustimmung.

3. Zur Umsetzung wäre eine breite öffentliche Kampagne zur Information und Motivation nötig. Eine Umsetzbarkeit ist gegeben, sobald die TeilnehmerInnen verstanden haben, dass ihre Lebensqualität durch den Umstieg nicht leidet, sondern  besser werden kann. Auf die mehrfach gesundheitsfördernde Wirkung des Radfahrens habe ich in mehreren Publikationen und in meinem Referat beim „Radlgipfel“ im Landhaus St. Pölten im Juni 2008 hingewiesen.

Ein Autokilometer kostet cirka 42 Cent,  ein Bahn – oder Fahrradkilometer bei regelmäßiger Benutzung nur weniger als 10 Cent. Daraus folgt: Wenn 4 Millionen Österreichische Autofahrer ein Drittel ihrer Jahresmobilität von 13.500 km auf Rad und/oder Bahn umlegen, spart jeder 4.500 mal  33 Cent, das sind ca. € 1.500.- pro Jahr. Bei Korrektur der Summe um die konstanten Versicherungsbeträge und die Wertminderung  blieben noch mindestens  € 1000.-, also insgesamt 4 Milliarden Euro jährliches Kapital für Investition in nachhaltige Energieerzeugung. Das ist das 500-Fache des derzeitigen Fördervolumens für Photovoltaikanlagen in der Höhe von 8 Millionen Euro. Die zu errichtenden Kraftwerke bleiben nach meinem Konzept im Besitz der privaten Kleininvestoren. Der Staat soll nur die Umsetzung erleichtern: keine bürokratischen Hindernisse  für Errichtung von Photovoltaik, Windkraftanlagenanlagen, Kleinwasserkraft).Ein derartiges Projekt entlastet ja die drei großen Sektoren der CO2-Produktion Verkehr, Industrie und Energie (inkl. Raffinerie!), die zusammen über 70% des CO2 produzieren, deutlich. In der Umsetzung eines derartigen Projekts sehe ich auch eine echte Alternative zu den CO2-Zerifizierungen über ausländische Projekte, die längerfristig natürlich eine Sackgasse darstellen.

Ein ganz wichtiger Grund, warum ich glaube, dass der Umstieg auf Nachhaltigkeit weitgehend mit Schritten in der genannten Reihenfolge erzielt werden kann und muss, ist die Tatsache, dass im Mobilitätsumstieg die größtmöglichen Kapitalreserven für Investition in Nachhaltigkeit liegen. Für die Motivation des Einzelnen wird wesentlich sein, dass die erworbenen Anteile an Windrädern, Photovoltaikanlagen und Kleinwasserkraft in seinem Besitz bleiben, während das Geld für Zertifikate im internationalen CO2-Handel  ausgegeben wird und jährlich neu ausgegeben werden muss, ohne dass sich in Österreich dadurch etwas ändert.

Das Argument der drohenden Arbeitslosigkeit ist nicht stichhaltig. Natürlich muss der herkömmliche Auto-Sektor und Erdölsektor schrumpfen wie alle anderen nicht nachhaltigen Wirtschaftsbereiche, aber gerade die Technik nachhaltiger Stromerzeugung ist besonders Arbeitsplatz-intensiv, was auch Zahlen aus Deutschland belegen.

4. Die klimarelevanten Auswirkungen sind beachtlich, wie ich  an meinen eigenen Erfahrungen gezeigt habe. Ich spare durch mein geändertes Mobilitätsverhalten jährlich weiterhin über 6 Tonnen CO2 im Verkehrsbereich ein und entlaste zusätzlich den Energiesektor durch die Produktion von mittlerweile jährlich 200.000 kWh Ökostrom um 192x 400 kg = 80 Tonnen CO2.
 
5. Evaluation: Meine eigenen Daten, Experimente und Erfahrungen habe ich mehrfach evaluiert und publiziert. In der Beantwortung der 15 am häufigsten gestellten Fragen zur Durchführbarkeit (veröffentlicht in CONSILIUM 12/2006) und in meinen Vorträgen gehe ich auch auf die Grenzen des Umstiegs ein. Ich weiß, dass es Widerstände gegen den Mobilitätsumstieg gibt. Ich begegne seit vielen Jahren zahlreichen Vorurteilen und viel Unwissenheit. Tatsache ist aber, dass es in allen Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten Menschen gibt, die erfolgreich umgestiegen sind und mit wenigen Autokilometern auskommen. Ich habe wiederholt (bei VCÖ, UNI Wien u.a.)  angeregt, die Motive hinter den Widerständen genauer zu untersuchen. Persönlich glaube ich, dass weder steuerliche Maßnahmen noch Radfahrkampagnen alleine den Wandel bewirken können, dass man aber an der Schaffung eines Bewusstseins für Nachhaltigkeit als Voraussetzung gezielt arbeiten kann.


Für die Durchführung eines Pilotprojektes schlage ich vor, motivierte Gemeinden oder Betriebe zu suchen. Ich halte die Zustimmung von mindestens 50 % der Einwohner beziehungsweise der Beschäftigten für sinnvoll, wobei das Ausmaß der Beteiligung von Person zu Person sehr variieren kann. Die zu planende und zu errichtende Windkraft-, Photovoltaik- oder Kleinwasserkraftanlage soll sich in unmittelbarer Nähe befinden. So ist eine höhere Identifizierung der Beteiligten mit ihrem Projekt möglich. Es ist durchaus denkbar, dass sich auch Personen finden, die als Beteiligung eigene Ersparnisse zur Vorfinanzierung anbieten, damit die Arbeit rasch begonnen werden kann.

So könnte in einigen Jahren der gesamte Sektor des österreichischen Strombedarfs aus inländischem nachhaltig erzeugtem Strom abgedeckt werden. Parallel dazu und im Anschluss ist es sinnvoll, Projekte technischer Sanierung, insbesondere im Bereich der Umstellung von Heizungen auf Biomasse und der Wärmedämmung, durchzuführen, die in Form von Mikrokrediten aus den Ersparnissen vom Mobilitätsumstieg finanziert werden.


 

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